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vfa-Faktencheck zum Gutachten des Sachverständigenrates Gesundheit & Pflege 2025

Der Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege hat am 22. Mai 2025 ein Gutachten mit dem Titel „Preise innovativer Arzneimittel in einem lernenden Gesundheitssystem“ veröffentlicht. Festzuhalten ist, dass die Ausführungen im Gutachten weder dem bestehenden System der Preisbildung und Innovationsförderung noch der Schlüsselrolle der pharmazeutischen Industrie für den Forschungs- und Industriestandort Deutschland gerecht werden. Auch die Auswahl der herangezogenen Expert:innen ist äußerst unausgewogen und lässt eine wirtschaftliche Perspektive sowie die Balance der Argumente für politische Ableitungen vermissen. Die einseitigen Empfehlungen können daher nicht als Leitfaden für sinnvolle Reformen dienen. Der vfa hat sich mit wesentlichen Aussagen und Empfehlungen auseinandergesetzt und unterzieht diese im Folgenden einem Faktencheck.

Ein Büromitarbeiter in Hemd und Krawatte liest angestrengt und macht sich Notizen.

Hintergrund:

Einleitend heißt es im Gutachten, dass das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich eine hohe und schnelle Verfügbarkeit neuer Arzneimittel biete. Die Arzneimittelausgaben seien jedoch in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Für innovative Arzneimittel seien immer höhere Preise zu beobachten. Der durchschnittliche Preis eines neu eingeführten patentgeschützten Arzneimittels habe vor 15 Jahren bei rund 1000 Euro gelegen und schwankte zuletzt um einen Wert von 50 000 Euro.

Empfehlung 1:

Der Rat empfiehlt zunächst eine verbindliche Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie im AMNOG-Verfahren einige Monate vor Einreichung des Dossiers, damit es aufgrund einer kurzfristigen Änderung nicht zu einem nicht belegten Zusatznutzen kommt.

Empfehlung 2:

Der Rat empfiehlt weiter, die bestehende Orphan-Drug-Regelung abzuschaffen, da diese die AMNOG-Logik untergrabe. Statt einer Sonderrolle in der frühen Nutzenbewertung solle der Orphan-Drug-Status im Rahmen der Preisverhandlungen als zusätzliches Kriterium berücksichtigt werden.

Empfehlung 3:

Der Rat empfiehlt außerdem, einen extern festgelegten Interimspreis einzuführen, der sich an den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientiert und an die Stelle des durch den pharmazeutischen Unternehmer gewählten Initialpreises tritt. Die Differenz zwischen dem zunächst festgelegten Interimspreis und dem später verhandelten Erstattungsbetrag würde rückwirkend ab der Markteinführung ausgeglichen. Auf diese Weise solle eine „psychologische Ankerwirkung” des Initialpreises in der Preisverhandlung vermieden werden.

Empfehlung 4:

Im Gutachten wird behauptet, dass bei den Preisverhandlungen eine Asymmetrie der Verhandlungsmacht zum Nachteil des GKV-Spitzenverbandes bestünde. Der GKV-Spitzenverband könne sich im Gegensatz zum pharmazeutischen Unternehmer nicht von einer Preisverhandlung zurückziehen und müsse auch eine Preisfestsetzung durch die Schiedsstelle akzeptieren. Der Rat empfiehlt, dem GKV-Spitzenverband zu ermöglichen, von den Preisverhandlungen zurückzutreten und damit über die Erstattungsfähigkeit zu entscheiden. Zudem wird empfohlen, wirkstoffübergreifende Ausschreibungen und somit einen Wettbewerb um die Erstattungsfähigkeit zu ermöglichen.

Empfehlung 5:

Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen erzielen laut Gutachten hohe Preise, was gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße. Der Rat empfiehlt daher, die Preise innovativer Arzneimittel noch konsequenter an deren Zusatznutzen zu koppeln und zu diesem Zweck eine regelmäßige Reevaluation zu ermöglichen.

Empfehlung 6:

Der Rat fordert die Einführung eines jährlich anzupassenden Arzneimittelbudgets für patentgeschützte Arzneimittel. Bei Überschreitung der Budgetgrenze würden einheitliche, prospektiv festgelegte prozentuale Preisabschläge auf alle eingeschlossenen Arzneimittel anfallen.

Empfehlung 7:

Die verhandelten Preise für innovative Arzneimittel seien statisch und würden nach Markteintritt in der Regel nicht angepasst. Der Rat empfiehlt daher die Einführung einer dynamischen Preisanpassungssystematik und Preisanpassungen im Zeitverlauf vor Ablauf des Patentschutzes. Auf diese Weise solle auch einer behaupteten selbstverstärkenden Preisspirale („Turmtreppeneffekt“) im AMNOG-System entgegengewirkt werden. Zudem wird eine Monitoringstrategie zur systematischen Sichtung von neuer Studienevidenz zum Zwecke der Reevaluation und dem Auslösen neuer Preisverhandlungen empfohlen.

Empfehlung 8:

Der Rat empfiehlt für Einmalgaben, stärker auf den Einsatz von erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen (sogenannten Pay-for-Performance-Modellen) zu setzen sowie Anpassungen in der Systematik des Risikostrukturausgleichs durchzuführen.

Empfehlung 9:

Das Gutachten empfiehlt die Rücknahme, der im Medizinforschungsgesetz (MFG) verankerten Ausnahmeregelungen der Leitplanken. Zugleich wird festgestellt, dass die pharmazeutische Industrie einen bedeutenden Beitrag zur deutschen Wirtschaftsleistung leiste. Durch verbesserte Rahmenbedingungen am Standort Deutschland solle diese zukunftsträchtige Branche im Sinne wirtschafts- und gesundheitspolitischer Ziele weiterentwickelt und gefördert werden.